Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR

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Interview mit Thomas Nilsson

„FAIR kommt – und jetzt wollen wir Physik machen“

Ein Gespräch mit Thomas Nilsson, Direktor der GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung

Geführt von Sascha Vogel und Frank Nerling

Herr Nilsson, Sie waren schon als Doktorand an der damaligen TH Darmstadt – viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kennen sie gar nicht mehr – und an der GSI. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dieser Zeit?

Nilsson: Ich habe mich sowohl an der damaligen TH als auch später an der TU Darmstadt immer sehr willkommen gefühlt. Auch bei der GSI war der Umgang stets freundlich und produktiv. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir mein erster längerer Aufenthalt 1989 – ein halbes Jahr voller intensiver Arbeit und historischer Umbrüche. Die Berliner Mauer fiel in dieser Zeit, und auch wenn ich es bereue, damals nicht selbst nach Berlin gefahren zu sein, war die Atmosphäre hier von den politischen Entwicklungen spürbar geprägt. Auch bis heute anhaltende Freundschaften wurden dort geknüpft.

Wie hat sich die GSI in den letzten Jahrzehnten verändert – insbesondere mit dem FAIR-Projekt?

Nilsson: Die GSI hat sich stark gewandelt – FAIR hat alles auf eine neue Ebene gehoben. Aus einer nationalen Einrichtung mit internationalen Gästen ist ein echtes internationales Großforschungszentrum geworden. Die Dimensionen, die Internationalität, die Infrastruktur – alles ist heute eine Nummer größer. FAIR ist inzwischen eine Weltanlage.

Was ist Ihre Vision für FAIR in den kommenden 15 Jahren?

Nilsson: Ich wünsche mir, dass FAIR zu einem Hotspot für wissenschaftliche Talente weltweit wird – ein Ort, an dem junge, kluge Köpfe forschen wollen, weil hier die spannendsten Fragen gestellt und beantwortet werden. Das Ziel ist, dass FAIR eine ähnliche Anziehungskraft wie das CERN entwickelt: ein Zentrum voller Leben, Konferenzen, Workshops, Innovationen und Technologietransfer. FAIR soll nicht nur Grundlagenforschung ermöglichen, sondern auch Anwendungen hervorbringen – inklusive Patente und Kooperationen mit Industrie und Universitäten.

Wie wollen Sie FAIR noch stärker in die internationale Forschungslandschaft integrieren?

Nilsson: Wir müssen FAIR nicht nur als Infrastruktur begreifen, sondern auch als etwas, das den beteiligten Ländern gehört. Es muss zur, polnischen, schwedischen, französischen, (etc.) FAIR-Anlage werden – mit echter Teilhabe. Dazu gehören gemeinsame Programme, Fellowships, formale Anbindungen von Universitäten. Die Idee ist, die Identifikation mit FAIR zu stärken – bei den Institutionen und bei den Forschenden.

Welche Rolle spielt die Helmholtz-Forschungsakademie Hessen für FAIR (HFHF)?

Nilsson: Die HFHF ist wie ein Schnellboot im Vergleich zum großen Tanker GSI/FAIR – flexibel, agil, mit direktem Draht zu den Universitäten. Sie bringt frische Impulse, reagiert schnell auf Entwicklungen und kann vor allem junge Forschende unkompliziert fördern. Das ist enorm wichtig für die Dynamik des gesamten Projekts.

Wie kann FAIR insbesondere für den wissenschaftlichen Nachwuchs attraktiver werden?

Nilsson: Neben exzellenter Forschung braucht es eine Kultur der Zugehörigkeit. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen sich hier willkommen fühlen – auch wenn sie nicht direkt bei der GSI angestellt sind. Das beginnt bei kleinen Dingen wie Kantinenmarken oder Reiseabrechnungen und reicht bis hin zu E-Mail-Adressen und Arbeitsplätzen. Zugehörigkeit darf keine Frage des Vertragsstatus sein. Wir müssen FAIR zu einem Ort machen, an dem man gerne arbeitet – mit Sichtbarkeit, Perspektiven und Wertschätzung.

Was sind die großen Herausforderungen in den kommenden Jahren?

Nilsson: Kurzfristig steht natürlich die Fertigstellung der Anlage im Vordergrund – „First Science“ und „First Science Plus“ müssen umgesetzt werden. Der Rohbau ist abgeschlossen, jetzt laufen die Installationen. Herausforderungen gibt es bei den Lieferketten, insbesondere durch die geopolitische Lage. Gleichzeitig fehlen für einige Experimente, etwa PANDA, aktuell die finanziellen Ressourcen zur Fertigstellung.

Welche Rolle spielt die Hadronenphysik bei FAIR?

Nilsson: Eine sehr wichtige. Hadronenphysik ist natürlich eng mit PANDA verknüpft, aber auch CBM bietet enormes Potenzial. Obwohl sich PANDA durch finanzielle Einschränkungen verzögert, arbeitet die Community bereits intensiv an Alternativen, um Hadronenphysik zeitnah bei FAIR zu ermöglichen. So entsteht gerade ein White Paper zur Entwicklung eines eigenständigen Hadronenphysik-Programms auf Basis der bestehenden Infrastruktur. In Kombination mit bestehenden Komponenten aus PANDA könnten erste Experimente etwa in Cave C und insbesondere mit CBM realisiert werden. Das ist besonders spannend, weil hier ein Brückenschlag gelingt: einerseits wird die Vielfalt der FAIR-Experimente erhalten, andererseits binden wir die QCD-Community enger ein – das Programm QCD at FAIR wird damit konkret und greifbar.

Ich sehe darin eine große Chance, FAIR als Zentrum für moderne Hadronenphysik zu etablieren und gleichzeitig Synergien mit anderen Bereichen wie CBM oder NUSTAR zu schaffen.

Und wie sieht Ihre wissenschaftliche Vision für die ersten Jahre FAIR aus?

Nilsson: Ein möglicher erster großer Meilenstein wäre die Untersuchung der Equation-of-State bei neutronenreichen Kernen – ein Beitrag zur Frage, wie Materie in Neutronensternen funktioniert. Das ist ein wunderschöner, interdisziplinärer Zugang, der viele FAIR-Komponenten einbindet: von CBM über NUSTAR bis hin zur Theorie und sogar zur Astronomie. Es wäre ein Traum, FAIR als Ort zu sehen, der solche Fragen beantwortet.

Nehmen wir mal an wir sind auf den Konferenzen nach den ersten Strahlzeiten und die ersten Resultate sind veröffentlicht. Was wünschen Sie sich für diese Vorträge?

Nilsson: Die ersten Konferenzvorträge mit FAIR-Daten werden ein sichtbares Signal an die wissenschaftliche Welt senden: Wir sind bereit, es geht los. Selbst erste, vergleichsweise einfache Messungen – neue Isotope, Präzisionsdaten oder instrumentelle Benchmarks – haben große Bedeutung, weil sie zeigen, dass die Anlage funktioniert. Die ersten Beiträge sind natürlich erstmal zu Strahlparametern, Inbetriebnahmeergebnissen oder Proof-of-Principle-Experimenten, etwa bei NUSTAR oder CBM. Das wird ein Auftakt sein – mit einer klaren Botschaft an die Community: FAIR ist jetzt Realität. Diese frühen Ergebnisse werden auch strategisch wichtig sein, um weitere Partner zu gewinnen und das internationale Interesse zu verstärken. Danach geht's an die großen physikalischen Fragen.

Was ist Ihre zentrale Botschaft an die wissenschaftliche Community?

Nilsson: Nach all den Jahren und Herausforderungen: FAIR kommt! Jetzt ist der Moment, sich vorzubereiten. Wir brauchen die Community – lokal wie international – um die ersten Experimente zum Erfolg zu führen. Es dauert nicht mehr lange, bis es losgeht. Die Zeit zu handeln ist jetzt.

Thomas Nilsson