Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR

GSI

Interview mit Yvonne Leifels

Liebe Frau Leifels,

sie sind wahrscheinlich diejenige, die mit am längsten und in den verschiedensten Positionen hier an der GSI gearbeitet haben. Wie haben Sie ihre Begeisterung für Kernphysik entdeckt?

Das war schon während meiner Promotion. Mein Doktorvater in Bochum hat mir angeboten bei ihm zu promovieren und er hatte zwei Projekte, eines in Jülich, eines an der GSI. Von Kolleginnen und Kollegen habe ich viel Gutes über die GSI gehört, von daher landete ich dann am Ende hier. Das war mehr eine Bauchentscheidung, die Kombination aus einem spannenden Thema und einer spannenden Institution.

Dann waren Sie Postdoc in Heidelberg und sind dann zurück an die GSI…

Ja, nach dem Postdoc kam ich zurück an die GSI und habe dann beim FOPI-Experiment gearbeitet. Und irgendwann kam dann das Angebot in das Forschungsmanagement zu wechseln und das habe ich dann schrittweise über die nächsten Jahre getan. Das entwickelte sich dann nach und nach, so dass ich es jetzt in Vollzeit mache.

Bis dahin, dass sie jetzt den wissenschaftlichen Geschäftsbereich leiten.

Ja, nachdem ich lange Forschungsdirektorin war, habe ich nun, da Paolo Giubellino uns leider verlassen hat, den wissenschaftlichen Geschäftsbereich übernommen.

Was sind die Herausforderungen und was auch die Highlights in dieser Position?

Man hat natürlich einen deutlich breiteren Aufgabenbereich. Als Postdoc beispielsweise hat man seinen spezifischen Aufgabenbereich und ist zuständig für sehr spezifische Dinge. Jetzt in der Geschäftsführung hat man neben vielen wissenschaftlichen Aspekten auch administrative Aspekte, wie Raumplanung, Budgetplanung, Personalplanung. Das sind natürlich Dinge, die man als Physikerin üblicherweise nicht macht. Die Administration spricht auch eine andere Sprache, die muss man lernen.

Eine große Herausforderung und ein komplexes Projekt ist natürlich FAIR. Der Fortschritt auf der Baustelle ist ja beachtlich.

Ja, also FAIR ist noch eine weitere Herausforderung — da kommt natürlich auch noch die Politik dazu, dazu muss man viel mit den jeweiligen Ministerien und auch den Partnern sprechen.

Herausfordernd sind natürlich auch die verschiedenen Baumaßnahmen, die Installation der Infrastruktur, der technischen Gebäudeanlagen und vieles weitere.

Parallel dazu wurde mit der Installation der Beschleunigerkomponenten begonnen und das alles zu koordinieren, das ist schon nicht einfach. Da ist das Team von Jörg Blaurock auch vollkommen mit beschäftigt, das alles zeitplangerecht fertig zu stellen.

Auf der anderen Seite ist das Spannende in der wissenschaftlichen Geschäftsführung natürlich, zu überlegen, wie man sich aufstellt. Bis jetzt war FAIR weit weg und auf einmal denkt man sich: 2027 ist jetzt doch gar nicht mehr so weit weg.

Es springt quasi auf die Massenschale...

Genau, das kann man genau so sehen. Da muss man jetzt in Vielem sehr konkret werden. Wie stellen wir uns auf, wie sortieren wir jetzt zum Beispiel das Personal? Zusammen mit der Administration müssen jetzt Konzepte entwickelt werden, wie der Personalansatz bei FAIR ist. Alles sehr kompliziert momentan, weil es sind ja zwei verschiedene Gesellschaften, die GSI GmbH und die FAIR GmbH.

FAIR bekommt aktuell Geld fürs Commissioning, das irgendwie an der GSI verausgabt werden muss. Diese Art von Details müssen jetzt alle geregelt werden.

Wir haben uns organisatorisch schon gut aufgestellt, aber wissenschaftlich geht es jetzt um die ersten Experimente, die wir machen wollen

Überlegen wir einen Schritt weiter…Stellen wir uns vor, die erste große Konferenz nach dem Start von FAIR, es gibt den Plenarvortrag, der sich “First results of FAIR” nennt. Was passiert vermutlich in diesem Vortrag?

Das erste, was bei FAIR laufen wird, ist ja vermutlich der Super-FRS mit einem Strahl vom SIS-100.

Meine Wunschvorstellung wäre, dass wir genug Intensität haben, um wirklich irgendeinen Kern im Bereich des dritten r-prozess-Peaks zu finden. Also etwas in Richtung Wolfram-200 wirklich nachzuweisen, die Lebensdauer zu bestimmen, eventuell die Struktur festzulegen.

Das wäre aus dem Bereich NUSTAR. Andere interessante Themen sind sicherlich in diesem Zusammenhang exotische Zustände aus vier Neutronen, wie sie jetzt am RIKEN gefunden worden sind.

Die Analyse von HFHF-Direktor Thomas Aumann.

Genau. Mit mehr Intensität bekommen wir natürlich ganz andere Dinge hin. Gerade im Bereich der exotischen Kerne ist da noch viel zu entdecken. Bei CBM wäre mein Wunsch, dass wir einmal Gold auf Gold durchgemessen haben, die komplette Anregungskurve.

Das Gute am CBM-Design ist ja, dass wir im Nachgang alles auswerten können, sobald wir einmal die Daten aufgenommen haben.

Das fände ich schön, wenn wir das berichten können — CBM ist gut angelaufen und wir haben exotische Strahlen aus dem Super-FRS und tatsächlich etwas gefunden, was bis jetzt noch keiner geschafft hat und auch außer uns niemand schaffen wird.

Was wäre der Wunschtraum, wenn man einmal nach den Sternen greifen darf?

Der Wunschtraum wäre schon, den kritischen Punkt im Phasendiagramm der Kernmaterie nachzuweisen, auf irgendeine Art und Weise.

Es gibt ja viele verschiedene Observable in denen man etwas sehen könnte. Da will ich aber nicht zu optimistisch sein, dass das bei der ersten Konferenz passiert — das ist ein eher langfristiges Ziel.

Kommen wir kurz zur Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR. Die Idee der HFHF ist es ja die Universitäten auch an die GSI anzubinden.

Was sind hier die Effekte an der GSI? Gibt es irgendwelche Synergien, die besonders erwähnenswert sind?

Ja, die HFHF bringt nochmal einen komplett frischen Wind und neue Leute aufs Gelände. Das bindet auch die Professorinnen und Professoren den umliegenden Universitäten ein bisschen stärker ein. Es kommen neue Ideen und man merkt, dass es ein sehr flexibles, sehr offenes und sehr vielfältiges Programm ist.

Es gibt ja zusätzlich noch das F&E Programm. Dieses ist aber eher personenzentriert, während die HFHF eher projektorientiert arbeitet — das ist schon ein bisschen ein anderer Ansatz. Genau das finde ich gut, dass die beiden so nebeneinander stehen und sich ergänzen.

Die HFHF finanziert ja auch relativ viel wissenschaftlichen Nachwuchs.

Ja, das ist nochmal ein Satz an Doktorandinnen und Doktoranden, die hier Daten analysieren, Experimente und langfristig auch die Anlage betreiben. Das ist schon wichtig. Aber auch erfahrene Leute bringt die HFHF an die GSI, die hier auch durchaus das Potential haben dauerhaft zu arbeiten.

In die langfristige Zukunft dieser Doktorandinnen und Doktoranden geblickt — was sind voraussichtlich die nächsten Schritte nach dem Start von FAIR, wenn die ersten Experimente vermessen sind?

Über die ersten Experimente bei NUSTAR und im CBM-Cave haben wir ja schon gesprochen - langfristig interessant wird sicherlich der Low Energy-Branch von NUSTAR, das ist aber noch nicht durchfinanziert. Was ich persönlich sehr wichtig fände, ist, dass es bei FAIR selber hinter dem Super-FRS nochmal ein Speicherring gibt. Hier war ja der CR-Speicherring geplant, der aus geopolitischen Gründen nicht mehr so realisiert wird.

Aber trotz dieser Umstände fände es unheimlich wichtig, dass wirklich am Ende noch ein Speicherring nach dem Super-FRS steht.

Hier gibt’s natürlich auch viele Ideen, die im Laufe der Jahre eingebracht wurden, auch von vielen HFHF-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Genannt seien hier beispielsweise Norbert Pietralla aus Darmstadt oder Rene Reifarth aus Frankfurt.

Sehr spannend wäre hier ein Neutronen-Target. Das ermöglicht an vielen Stellen astrophysikalische Prozesse besser zu vermessen. Viele Reaktionen in diesem Bereich werden hier indirekt gemessen über die sogenannte trojanische Pferd-Methode oder über das Messen von Rückreaktionen. Mit einem Neutronentarget könnte man hier auch direkt messen.

Und um noch etwas drauf zu setzen, hoffe ich, dass man die Neutronenquelle nicht standardmäßig mit einem Beschleuniger macht, sondern mit Laserbeschleunigung., die wir hier ja auch nutzen.

Und ich denke, wenn wir die ersten Schritte hinter uns gebracht haben und das wesentliche FAIR-Equipment stehen haben — dann können wir nochmal überlegen, ob und wie wir doch noch den High Energy Storage Ring HESR bauen.

Das wäre wirklich ein massiver Schritt an zusätzlichem Investment, diese Reise muss man gut organisieren.

Dazu gab es vor Kurzem ja auch den HFHF-Workshop “Physics opportunities with proton beams at SIS100”, auf dem diskutiert wurde, wie man das Hadronenprogramm bei FAIR auf die Beine stellen kann.

Ja, der war wirklich wichtig, denn am Ende des Tages wollen wir ein Antiprotonenprogramm haben.

Und selbst unser Scientific Review, insbesondere das letzte, das wir zu diesem Thema hatten, hat ja gesagt: Das Programm ist einmalig, man sollte es machen, aber ist momentan zu teuer. Wir haben eine Arbeitsgruppe, die sich damit beschäftigt, zu analysieren, ob es Sparpotentiale gibt an den Gebäuden, weniger an der technischen Ausstattung.

Und dann können wir uns überlegen, wenn wir dann Antiprotonen haben, können wir uns sogar gestoppte Antiprotonen anschauen, wir hätten dann Antiprotonen vom zweistelligen GEV-Bereich bis runter zur Null. Das könnten wir alles hier an der Anlage machen, das wären fantastische Möglichkeiten.

Die Anlage ist ja auch bewusst modular geplant und so gebaut, dass man entsprechend erweitern kann.

Im Laufe der letzten Jahre sind also so viele Ideen aufgekommen, dass ich überhaupt keine Zweifel habe, dass wir hier langfristig ein hervorragendes Programm aufbauen können.

Wie ist denn der aktuelle Stand des Hadronenprogramms bei CBM?

Da gab es ja viele gute Diskussionen auf dem Workshop und eine lange Liste von Möglichkeiten, die man machen kann. Es gibt momentan eine Gruppe, die schreibt aktuell ein sogenanntes White Paper, in dem die Themen ausgearbeitet werden. Natürlich auch in Hinblick auf die Möglichkeit der Realisierung.

Voraussichtlich kann man einige Dinge relativ einfach messen. Da nimmt man den CBM-Detektor mit einem entsprechenden Target und beschießt mit Protonen, das ist ja technisch relativ einfach.

Für einige Experimente müsste man wahrscheinlich auch einen neuen Detektor dazu bauen. Das geht dann durch die entsprechenden Gremien, wie z.B. Joint Scientific Council und wird evaluiert.

Dazu muss dann noch die Finanzierung sichergestellt werden. Das wären kurzumrissen die Schritte, die dann ablaufen würden.

Zum Abschluss nochmal zur HFHF zurück — wo sehen Sie die Rolle von GSI und HFHF in der Wissenschaftslandschaft Hessen?

Wir sind das einzige Helmholtz-Zentrum in Hessen.

Wir sind ein Zentrum für die nationale Forschung nicht nur im Bereich der Kernphysik, sondern haben ja auch ein relativ breites Spektrum von der Hadronen-. über die Atomphysik bis hin zur Biophysik.

Wir sind also sehr breit aufgestellt. Für die hessischen Universitäten sind wir eine Infrastruktur, die zur Verfügung steht, um den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, inbesondere auch Promovierenden, die Möglichkeit zu geben, an diesen Instrumenten zu arbeiten. Ich denke, das ist für diese Personen, auch unabhängig davon, was sie später machen, eine ganz wichtige Erfahrung. Sie arbeiten in internationalen Kollaboration, gehen in großen Teams auf der ganzen Welt zusammen.

Jetzt mal abgesehen davon, was sie wissenschaftlich machen, ist das aber auch ein Aspekt, der auch wichtig für ihre Entwicklung ist. Insofern würde ich schon sagen, dass wir ein ganz wichtiges Element in der Wissenschaftslandschaft Hessen sind.

Wir sind mit der hessischen Landesregierung, aber natürlich auch mit der Bundesregierung, immer im engen Austausch. Und trotz der schwierigen haushalterischen Lage hält Hessen zu uns.

Von daher gibt es hier auf jeden Fall eine große Synergie. Wir sind gut für Hessen und Hessen ist auch gut für uns.

Das ist ein schönes Schlusswort, vielen Dank für das Gespräch!

GSI