Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR

Kilonovas runder als gedacht?
Sphärische Kilonova

Kilonovas runder als gedacht?

Wenn Neutronensterne kollidieren, sind die dabei entstehenden Explosionen vollkommen kugelförmig, so eine neue Studie.

Dies steht im Widerspruch zu früheren Theorien über die als Kilonovas bezeichneten Explosionen, denen zufolge sie als abgeflachte Scheiben verlaufen sollten. Der Grund für die kugelförmige Gestalt dieser Explosionen ist jedoch noch immer ein Rätsel.

Das Endergebnis einer Kilonova ist ein so genannter "hypermassiver" verschmolzener Neutronenstern, der schnell kollabiert und ein Schwarzes Loch gebiert. Andere Details über diese Ereignisse sind jedoch noch weitgehend unbekannt, so dass alle Informationen über die Kollisionen, die sie verursachen, für Astrophysiker unglaublich wichtig sind.

Das erste Mal wurde eine Kilonova im Jahr 2017 entdeckt, und die kosmische Explosion war rund 140 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Bei der Analyse der Daten dieser gewaltigen Explosion machten Astrophysiker die überraschende Entdeckung, dass Kilonovas kugelförmig sind.

Mit Andreas Bauswein ist an dieser Entdeckung ein Forscher der Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR maßgeblich beteiligt. Über sein Forschungsprojekt HEAVY METAL kann hier nochmal nachgelesen werden.

Der Erstautor der Studie, Albert Sneppen, ein Doktorand am Niels-Bohr-Institut, erklärte, warum die Entdeckung einer kugelförmigen Form für die Kilonova von 2017 so unerwartet war. "Man hat zwei superkompakte Sterne, die sich 100 Mal pro Sekunde umkreisen, bevor sie kollabieren", erklärte er. "Unsere Intuition und alle bisherigen Modelle sagen, dass die durch die Kollision entstandene Explosionswolke eine abgeflachte und eher asymmetrische Form haben muss."

Die kugelförmige Gestalt der Kilonova deutet für die Forscherinnen und Forscher darauf hin, dass eine bisher unerwartete Physik im Spiel sein könnte, wenn sich zwei Neutronensterne zusammenspiralen und verschmelzen.

"Der wahrscheinlichste Weg, die Explosion kugelförmig zu machen, ist, wenn eine riesige Menge an Energie aus dem Zentrum der Explosion herausschießt und eine Form glättet, die sonst asymmetrisch wäre", so Sneppen. "Die kugelförmige Form sagt uns also, dass sich im Kern der Kollision wahrscheinlich eine Menge Energie befindet, die nicht vorhergesehen wurde."

Das Team vermutet, dass das Geheimnis der kugelförmigen Form der Kilonova in der kurzen Existenz des hypermassiven Neutronensterns verborgen sein könnte, der durch die Verschmelzung und seinen schnellen Kollaps zu einem Schwarzen Loch entstand.

"Vielleicht entsteht eine Art 'Magnetbombe' in dem Moment, in dem die Energie des enormen Magnetfeldes des hypermassiven Neutronensterns freigesetzt wird, wenn der Stern zu einem Schwarzen Loch kollabiert", so Watson. "Die Freisetzung der magnetischen Energie könnte dazu führen, dass sich die Materie in der Explosion kugelförmiger verteilt. In diesem Fall könnte die Geburt des Schwarzen Lochs sehr energiereich sein."

Während diese Theorie die kugelförmige Form der Kilonova erklären könnte, erklärt sie nicht ein anderes unerwartetes Merkmal, das die Astrophysiker entdeckt haben.

Frühere Modelle von Kilonovas hatten angenommen, dass alle Elemente, die sie schmieden, schwerer als Eisen sein sollten. Die extrem schweren Elemente wie Gold oder Uran sollten an anderen Stellen in der Kilonova entstehen als die relativ leichteren Elemente wie Strontium oder Krypton. Diese leichteren und schwereren Elemente sollten durch die gewaltige Explosion auch in unterschiedliche Richtungen durch den Raum geschleudert werden.

Bei der Kilonova von 2017 fand das Team jedoch nur die leichteren Elemente und beobachtete außerdem, dass sie gleichmäßig im Raum verteilt waren. Die Forscherinnen und Forscher glauben, dass Neutrinos, welche nur schwach mit Materie wechselwirken, für diesen unerwarteten Aspekt ihrer Beobachtungen verantwortlich sein könnten.

"Eine alternative Idee ist, dass der hypermassive Neutronenstern in den Millisekunden, die er lebt, sehr stark emittiert, möglicherweise auch eine große Anzahl von Neutrinos", so Sneppen. "Neutrinos können bewirken, dass sich Neutronen in Protonen und Elektronen umwandeln und so insgesamt mehr leichtere Elemente entstehen. Auch diese Idee hat Mängel, aber wir glauben, dass Neutrinos eine noch wichtigere Rolle spielen, als wir dachten."

Die Entdeckung, dass Kilonova-Explosionen kugelförmig sind, könnte auch dazu beitragen, Licht in die dunkle Energie zu bringen, die geheimnisvolle Kraft, die etwa 70 % des gesamten Energie-Materie-Gehalts des Kosmos ausmacht und offenbar die beschleunigte Expansion des Universums antreibt.

Derzeit besteht eine große Diskrepanz zwischen den Messungen der Geschwindigkeit der universellen Ausdehnung, die durch die Beobachtung weit entfernter Supernovas - kosmische Explosionen, die beim Sterben von Sternen entstehen - gemacht wurden, und den Vorhersagen dieser Geschwindigkeit, die in der Teilchenphysik gemacht wurden.

"Unter Astrophysikern gibt es viele Diskussionen darüber, wie schnell sich das Universum ausdehnt. Die Geschwindigkeit sagt uns unter anderem, wie alt das Universum ist", erklärt Sneppen. "Und die beiden Methoden, die es gibt, um dies zu messen, weichen um etwa eine Milliarde Jahre voneinander ab. Hier haben wir vielleicht eine dritte Methode, die die anderen Messungen ergänzt und mit ihnen verglichen werden kann."

Die Kenntnis der Form der Kilonova ist von entscheidender Bedeutung, um diese kosmischen Ereignisse in eine Messlatte zu verwandeln. Denn ein nicht kugelförmiges Objekt strahlt je nach Betrachtungswinkel Licht in unterschiedlichen Richtungen ab, während eine kugelförmige Explosion unabhängig von der Ausrichtung eine gleichmäßigere Emission gewährleistet. Dies könnte zu einer viel größeren Präzision bei der Messung kosmischer Entfernungen führen und somit Rückschlüsse auf die Expansionsgeschwindigkeit des Universums und seine Beschleunigung zulassen.

Das Team erklärte, dass die verbleibenden Fragen, die durch diese Entdeckung aufgeworfen wurden, beantwortet werden müssen, bevor Kilonovas auf diese Weise als Messinstrumente verwendet werden können - was bedeutet, dass weitere Beobachtungen von Neutronensternverschmelzungen erforderlich sind.

Sie hoffen, dass die fortgesetzte Arbeit von Gravitationswellenobservatorien wie dem Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory, kurz LIGO, die die winzigen Wellen im Gewebe des Weltraums aufspüren, die diese Verschmelzungen auslösen, diese Kilonova-Beobachtungen ermöglichen werden.

Die Studie wurde am 15. Februar online in der Zeitschrift Nature veröffentlicht und ist hier zu finden.

PD Dr. Andreas Bauswein
Kilonovas runder als gedacht?