Eine der vielen möglichen Ursachen für Krebs ist es, wenn Strahlung, z.B. aus dem Weltraum oder anderen Quellen auf den unseren Körper trifft. Im schlimmsten Fall wird dadurch das Erbgut verändert – was dann wiederum die Folge für Krebs sein kann. Der genaue Mechanismus dahinter ist noch nicht vollständig verstanden, aber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR sind dem Rätsel nun ein kleines Stück näher gekommen.
Die Gruppe im Stefan Schippers von der Justus-Liebig-Universität Gießen fragte sich, was genau passiert, wenn Röntgenstrahlung auf negativ geladene Moleküle trifft. Dies mag auf den ersten Blick wenig mit der oben genannten Fragestellung zu tun haben, da der Körper im Normalfall nicht negativ geladen ist, aber das stimmt nur bedingt. Auf molekularer Ebene ist dies durchaus der Fall. Aber zurück zum Experiment.
Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Gießen, Hamburg, Frankfurt und Berlin präparierte das Team um Stefan Schippers ein negativ geladenes Molekül aus zwei Kohlenstoffatomen (C2), indem sie ihm ein zusätzliches Elektron hinzufügten. Mithilfe von Röntgenstrahlung mit abgestimmter Wellenlänge konnten sie dieses Elektron bewegen – und erstmals Übergänge zwischen verschiedenen Schwingungszuständen bei negativ geladenen Molekülen beobachten. Die Ergebnisse dieses Experiments sind in der Fachzeitschrift „ChemPhysChem“ veröffentlicht worden.
Hierfür musste das Team zunächst eine Ionenquelle anfertigen, mit der sie negativ geladene Moleküle (die sogenannten Anionen) erzeugen konnten. Die erforderlichen Atome und Moleküle in der benötigten Präzision zu bekommen ist eine der wichtigen Grundlagen dieser Forschung, da die weiteren Schritte davon abhängen.
Die erzeugten C2-Moleküle kommen zum Beispiel auch in der oberen Atmosphäre oder in interstellaren Gaswolken vor. Für das Experiment waren sie allerdings eine gute Ecke schneller, denn sie wurden auf eine Geschwindigkeit von ca. einer Million Kilometer pro Stunde beschleunigt und dann mit dem Röntgenstrahl überlagert.
Durch die Strahlung werden die Atome angeregt und vergrößern üblicherweise den Abstand. Doch in diesem Experiment war das Gegenteil der Fall. Der Abstand der beiden positiv nun geladenen Kohlenstoffatome verringerte sich um fast 20 Prozent. „Statt sich wie erwartet voneinander abzustoßen, rückten beide Atome enger zusammen“, erläutert Prof. Schippers. „Dies könnte auch ein Mechanismus sein, der beispielsweise zu Strahlenschäden im Erbgut von Zellen führt.“ Aber warum und wie dieser Effekt genau auftritt ist im Detail noch nicht geklärt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der HFHF wollen nun prüfen, ob ein derart drastischer Effekt auch bei der Bestrahlung anderer molekularer Anionen zu beobachten ist. Dazu werden sie weitere Messungen am sogenannten „Photo-Ion-Spektrometer“ (PIPE) im Großforschungszentrum DESY in Hamburg durchführen. „Herkömmliche Röntgenstrahlung reicht für ein derartiges Experiment bei Weitem nicht aus“, erklärt Prof. Schippers. „Mithilfe der PIPE-Apparatur können wir den weltweit einzigartig hohen Photonenfluss nutzen, der in der Synchrotron-Strahlungsquelle PETRA IIII im DESY vorhanden ist.“
Die Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR wünscht gutes Gelingen!
Originalpublikation: https://chemistry-europe.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cphc.202300325