Helmholtz Research Academy Hesse for FAIR

Reise zum flüssigsten Zustand des Universums

Physik heißer und dichter Materie

Zur Erfassung der starken Wechselwirkung, die in der frühen Phase des Universums auftrat und sich bei hohen Baryonendichten nachweisen lässt, wie sie zum Beispiel in Supernova-Explosionen oder bei der Verschmelzung von Neutronensternen vorkommt, sind hochpräzise Experimente notwendig. 


Eines davon ist das Compressed Baryonic Matter (CBM)-Experiment, das mit Hilfe von Ionenstrahlen hoher Energie und Intensität und speziell entwickelten Detektorkomponenten Daten generiert.

Zur Messung werden spezielle Hardware-Komponenten benötigt, wie ein Silizium-Tracking-System, RICH-Cherenkov-Detektoren, die die Geschwindigkeit geladener Teilchen messen können, ein Transition-Radiation-Detektor zur Bestimmung der Teilchenart sowie das Auslesesystem FLES für die schnelle Erfassung und Auswertung von Datenströmen. An all diesen Systemen sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR an entscheidenden Stellen beteiligt und werden in der Zukunft auf dieser Webseite berichten.

Auf der Grundlage dieser Komponenten werden im CBM-Experimentierprogramm Daten zu wichtigen Observablen wie seltsamen (Multistrange-) Baryonen, Dileptonen sowie Hypernukleonen gesammelt. Für die erfolgreiche Interpretation der experimentellen Daten und die Weiterentwicklung des Forschungsfeldes werden theoretische Simulationen zur Physik dichter Kernmaterie mit Methoden der Transportrechnung, im Rahmen der Gitter-Quantenchromodynamik (QCD) bei hohen Baryonendichten und durch effektive Modelle und funktionale Methoden durchgeführt.

Das Ziel des CBM-Forschungsprogramms besteht in der Erforschung des Phasendiagramms der Quantenchromodynamik (QCD) im Bereich hoher Baryondichten unter Verwendung hochenergetischer Kern-Kern-Kollisionen. Dazu gehört die Untersuchung der Zustandsgleichung von Kernmaterie bei Neutronensternkerndichten und die Suche nach Phasenübergängen, die Wiederherstellung der chiralen Symmetrie und exotischer Formen von (seltsamer) QCD-Materie.

Der CBM-Detektor wurde speziell dafür entwickelt, um das kollektive Verhalten dieser Teilchen, aber auch seltene Teilchensorten so präzise wie möglich zu vermessen. Die meisten dieser Teilchen werden sogar das allererste Mal im FAIR-Energiebereich untersucht.

Um die erforderliche Genauigkeit zu erreichen, werden die Messungen bei Reaktionsgeschwindigkeiten von bis zu 10 MHz durchgeführt. Das heisst es passieren 10 Millionen Ereignisse pro Sekunde!
Dafür werden sehr schnelle und strahlungsharte Detektoren, ein innovatives Datenauslese- und Analysekonzept mit einer neuartigen Elektronik und ein Hochleistungsrechencluster für die Online-Ereignisauswahl benötigt. Ein Großteil der CBM-Detektorsysteme, die Datenauslesereihe und die Ereignisrekonstruktion sind bereits im Einsatz und wurden schon während der FAIR-Phase 0 in Experimenten verwendet.

Die einzigartige Kombination eines Beschleunigers, der einen hochintensiven Schwerionenstrahl liefert, mit einem modernen Hochratenexperiment, das auf innovativer Detektor- und Computertechnologie basiert, bietet optimale Bedingungen für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR und alle nationalen wie internationalen Partner. Das ganze Forschungsprogramm birgt ein erhebliches Entdeckungspotential für die Untersuchung grundlegender Eigenschaften der QCD-Materie.


Reise zum flüssigsten Zustand des Universums

Wer schon einmal in den Genuss von Honig kam, hat ein Gefühl dafür, was Viskosität ist – nämlich ein Maß für die „Zähigkeit“ einer Substanz. Je geringer der Wert der Viskosität desto flüssiger verhält sich die Substanz, wenn man sie in Bewegung versetzt. Wirken verschiedene Kräfte auf die Substanz, so kann die Viskosität in der jeweiligen Richtung unterschiedlich groß sein.

In der Hochenergiephysik ist insbesondere die Scherviskosität von hohem Interesse, da sie ein Maß für die „Zähigkeit“ unter Einfluss von Scherkräften ist. Setzt man sie ins Verhältnis zur Entropiedichte, also dem Maß der Unordnung eines Systems, so erhält man Auskunft darüber, ob die Beschreibung der Substanz als ideale Flüssigkeit angemessen ist. Ein Stoff sollte unter Idealbedingungen ein Verhältnis von Scherviskosität zu Entropiedichte (η/s) von Null haben.

Allerdings sieht dies in der Quantenwelt anders aus: die starke Kernkraft begrenzt die untere Grenze dieses Terms auf 1/4 statt 0. Experimente am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) am Brookhaven National Laboratory (BNL) haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Quark-Gluon-Plasmen (QGP) diese niedrigste Viskosität erreichen.

Eine offene Frage blieb lange Zeit, wie sich dieser Wert bei niedrigen Energien verhält, wie sie am Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung (GSI) und zukünftig am Facility for Antiproton and Ion Research (FAIR) untersucht werden. Diesem Energiebereich ist besonderes Interesse gewidmet, da hier der Phasenübergang von „normaler“ Kernmaterie zum Quark Gluon Plasma erwartet wird. Forschern des Instituts für Theoretische Physik der Goethe-Universität Frankfurt ist es nun gelungen, die Scherviskosität aus dynamischen Modellen für Schwerionenkollisionen zu extrahieren. Die hier gefundenen Ergebnisse bilden die Brücke der Hochenergiewelt zur Niedrigenergiewelt bei der GSI und FAIR.

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0370269321002252?via%3Dihub

Reise zum flüssigsten Zustand des Universums