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Klare Sicht auf Nukleonen

Klare Sicht auf Nukleonen

Mit dem Einsatz der inversen Kinematik, die Umkehrung einer etablierten Forschungsmethode, und durch die Wahl geeigneter Messbedingungen gelang einem internationalen Forschungsteam der ungestörte Einblick in Atomkerne. Sie stellten einen Weg zur detaillierten Untersuchung von Eigenschaften der Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung im Atomkern vor. Das Experiment wurde von einer großen internationalen Kollaboration (BM@N Collaboration) unter der Leitung des Massachusetts Institute for Technology (MIT), der Universität Tel Aviv, der TU Darmstadt sowie des Joint Institute for Nuclear Research (JINR) an der Beschleunigeranlage des JINR in Dubna bei Moskau durchgeführt und in der März-Ausgabe von "Nature Physics" veröffentlicht.

Stark wechselwirkende Vielteilchen-Quantensysteme sind experimentell schwer zu erforschen. Ein solches System ist der Atomkern, der von der starken Wechselwirkung zwischen seinen Bestandteilen, den Nukleonen, zusammengehalten wird. Die Erforschung der Wechselwirkung zwischen Nukleonen im dichten Kernmedium ist eine besonders große Herausforderung. Oft werden hochenergetische Protonenstrahlen mit kurzer Wellenlänge als Sonde verwendet und auf die zu untersuchenden Atomkerne geschossen. Allerdings führen die komplexen Mehrfachwechselwirkungen zu einem unscharfen Bild.

Hier setzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Forschungsteams an. Für die in "Nature Physics" veröffentlichten Messungen drehten sie das Prinzip des Versuchsaufbaus quasi um. Statt einen Protonenstrahl auf Atomkerne zu schießen, trafen beschleunigte Kohlenstoffkerne auf ruhende Protonen. Mit diesem Experiment gelang ihnen die Selektion des Endzustandes, die komplexere Wechselwirkungen ausschließt und die genaue Untersuchungen der Kräfte im Atomkern ohne das störende „Rauschen“ anderer physikalischer Effekte ermöglicht. Die Analyse des Experimentes zeigte, dass durch geeignete Selektion des Endzustands direkte Streuprozesse identifiziert werden können und somit Informationen über die Eigenschaften der Nukleonen im Grundzustand des Atomkerns gewonnen werden können.

Dank dieser Selektivität gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereits in diesem ersten Experiment, neue Erkenntnisse über die Kurzdistanzkomponente der Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung zu gewinnen. Die Eigenschaften der Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung und der Mehr-Nukleon-Wechselwirkung bei kurzen Entfernungen ist dabei von besonderer Bedeutung für das Verständnis der Eigenschaften von neutronenreicher Kernmaterie bei hoher Dichte, wie sie in unserem Universum als Neutronensterne vorkommen.

Dr. Meytal Duer, Wissenschaftler am Institut für Kernphysik (AG Aumann) der TU Darmstadt, und verantwortlich für einen wesentlichen Teil der Datenanalyse des in "Nature Physics" veröffentlichten Experiments, erklärt: "Dieser experimentelle Durchbruch ebnet den Weg, die Eigenschaften der kurzreichweitigen Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung in neutronenreichen kurzlebigen Kernen im Detail zu erforschen." Solche Kerne könnten als intensive Strahlen an der neuen Beschleunigeranlage FAIR in Darmstadt erzeugt werden, sagt Duer. Das Forschungsteam plane bereits für das nächste Jahr ein erstes Experiment mit einem instabilen Kern an der R3B-Anlage (Reactions with Relativistic Radioactive Beams) am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt.

Publikation:
“Unperturbed inverse kinematics nucleon knockout measurements with a carbon beam”, Nature Physics (2021), 29 March 2021.

Klare Sicht auf Nukleonen