Helmholtz Research Academy Hesse for FAIR

Sauerstoff 28O

Sauerstoff 28O

Von den tiefsten Geheimnissen der Nuklearstruktur bis hin zu den extremen Bedingungen in Neutronensternen – Wissenschaftler der Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR (HFHF) haben mit der erstmaligen Erzeugung des Sauerstoffkerns 28O einen entscheidenden Fortschritt erzielt. Diese bahnbrechende Arbeit, veröffentlicht von Prof. Dr. Thomas Aumann und Prof. Dr. Achim Schwenk, ist nicht nur ein Triumph für die Kernphysik, sondern auch ein Meilenstein für unser Verständnis der fundamentalen Kräfte des Universums.

Sauerstoff ist nicht nur wichtig in der Biologie sondern nimmt auch in der Kernphysik eine zentrale Rolle ein. Während Sauerstoff-16, das in unserer Atmosphäre vorherrschende Isotop, acht Protonen und acht Neutronen enthält, eröffnet die Untersuchung neutronenreicher Isotope neue Horizonte. Diese Isotope, wie 28O mit seinen 20 Neutronen, existieren unter extremen Bedingungen – etwa in der Kruste von Neutronensternen – und sind im Labor nur schwer zu erzeugen. Ihre Erforschung erlaubt es, die Grenzen der starken Wechselwirkung, die Protonen und Neutronen zusammenhält, besser zu verstehen.

Die Erzeugung von Sauerstoff-28 gelang am renommierten RIKEN Nishina Center in Japan. Das Herzstück des Experiments war der BigRIPS-Fragmentseparator, kombiniert mit dem SAMURAI-Detektor. Ausgangspunkt war ein Strahl von Fluor-29-Ionen, die durch eine Proton-Knockout-Reaktion mit einem Wasserstoff-Target kollidierten. In dieser hochenergetischen Wechselwirkung wurde ein Proton aus dem Fluorkern herausgeschlagen, wodurch 28O entstand.

Die Schwierigkeit bestand darin, diese kurzlebigen Kerne zu detektieren, da sie in Bruchteilen einer Sekunde zerfallen. Der Nachweis erfolgte durch die Analyse der Zerfallsprodukte – Sauerstoff-24 und vier Neutronen – mithilfe hochauflösender Detektoren. Mit einer Rekonstruktion der Zerfallsenergie konnten die Forscher die Eigenschaften von 28O genau bestimmen.

Eine der spannendsten Fragen der Kernphysik ist die Existenz sogenannter „doppelt-magischer“ Kerne, die durch ihre besonders stabile Struktur herausragen. Sauerstoff-16 und Sauerstoff-24 gelten aufgrund ihrer vollständig gefüllten Protonen- und Neutronenschalen als doppelt-magisch. Die Experimente zeigten jedoch, dass 28O nicht in diese Kategorie fällt. Stattdessen weist der Kern eine komplexe Struktur auf, bei der Neutronen nicht wie erwartet in abgeschlossenen Schalen angeordnet sind, sondern weiter ausgedehnte Orbitale einnehmen.

Die Ergebnisse liefern wertvolle Daten über die Wechselwirkung zwischen Nukleonen. Insbesondere die Balance zwischen Zwei- und Drei-Nukleonen-Wechselwirkungen spielt eine entscheidende Rolle bei der Stabilität solcher Kerne. Diese Daten sind von unschätzbarem Wert für die Verfeinerung theoretischer Modelle, die die Eigenschaften von Materie unter extremen Bedingungen beschreiben.

Die Bedeutung dieser Forschung reicht weit über die Kernphysik hinaus. In Neutronensternen – den dichtesten bekannten Objekten im Universum – herrschen Bedingungen, die denen im Experiment nachempfunden sind. Die starke Wechselwirkung beeinflusst die Struktur und das Verhalten der Materie in diesen extremen Umgebungen und ist entscheidend für das Verständnis von Supernova-Explosionen und der Entstehung schwerer Elemente.

Mit der Beobachtung von Sauerstoff-28 können Theorien zur Zustandsgleichung von Materie in Neutronensternen getestet und verfeinert werden. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Geheimnisse dieser exotischen Objekte zu entschlüsseln.

Das Experiment erforderte eine beeindruckende Kombination aus technologischer Innovation und wissenschaftlicher Expertise. Der Einsatz des NeuLAND-Detektors, der speziell für das FAIR-Projekt in Darmstadt entwickelt wurde, ermöglichte die hochpräzise Detektion der Zerfallsprodukte. Diese Technologie, kombiniert mit den weltweit leistungsstärksten Ionenstrahlen am RIKEN Nishina Center, stellte sicher, dass die Experimente die höchsten Standards in der Kernphysik erfüllten.

Die Analyse der gewonnenen Daten ist ein Paradebeispiel für die Synergie zwischen Experiment und Theorie. Mit fortschrittlichen Rechenmethoden wie der Ab-Initio-Coupled-Cluster-Methode konnten die experimentellen Ergebnisse von Achim Schwenk und seinem Team mit theoretischen Modellen abgeglichen werden. Dies trug dazu bei, die zugrunde liegenden physikalischen Prozesse besser zu verstehen.

Die Entdeckung von Sauerstoff-28 markiert einen Wendepunkt in der Erforschung neutronenreicher Kerne. Doch die Reise ist noch lange nicht zu Ende. Zukünftige Experimente an der FAIR-Anlage in Darmstadt werden es ermöglichen, angeregte Zustände von 28O und anderen exotischen Kernen detaillierter zu untersuchen. Der weitere Ausbau des NeuLAND-Detektors und die Entwicklung intensiverer Strahlenquellen werden die Präzision und den Umfang solcher Experimente erheblich steigern.

Die Erzeugung und Analyse von Sauerstoff-28 ist ein Meilenstein für die Kernphysik und die Astrophysik. Sie zeigt, wie modernste Technologien und internationale Zusammenarbeit dazu beitragen, fundamentale Fragen über die Natur der Materie zu beantworten. Die Arbeit von Thomas Aumann und Achim Schwenk ist ein inspirierendes Beispiel für wissenschaftliche Exzellenz der HFHF und die Bedeutung von Grundlagenforschung für das Verständnis unseres Universums.

Sauerstoff 28O